Tagung „Internationaler Bildungsaustausch zwischen Ost und West – von der Völkerverständigung zur internationalen Reflexivität“

Vom 27. Mai bis 29 Mai 2020 fand die internationale Tagung „Internationaler Bildungsaustausch zwischen Ost und West – von der Völkerverständigung zur internationalen Reflexivität“ statt. Die Tagung wurde vom Lehrstuhl für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Diversity Education und internationale Bildungsforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg organisiert und wurde im Rahmen des DAAD-Programms „Ost-West-Dialog. Akademischer Austausch und wissenschaftliche Kooperation für Sicherheit, Zusammenarbeit und zivilgesellschaftliche Entwicklung in Europa“ vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus den Mitteln des Auswärtigen Amts (AA) gefördert.

Die für Anfang April geplante Präsenztagung in Nürnberg, Deutschland musste aufgrund der epidemiologischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Verbreitung des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) verschoben und in ein digitales Format überführt werden.

 

 

An der virtuellen Tagung nahmen 41 Wissenschaftler*innen, Nachwuchswissenschaftler*innen, Studierende und Interessierte aus Deutschland, Russland und Weißrussland teil und betrachteten Bildungs-, Erziehungs- und Sozialisationsprozesse im internationalen Bildungsaustausch in institutionellen und non-formalen Settings aus der disziplinären Perspektive der Erziehungswissenschaft. In regionaler Hinsicht nahm die virtuelle Tagung den internationalen Bildungsaustausch zwischen Deutschland, Russland und Weißrussland in den Blick.

Dabei wurden folgende zentrale Fragen diskutiert:

  • Welche Tendenzen im internationalen Bildungsaustausch zwischen Ost und West lassen sich in historischer, international vergleichender und systematisch-konzeptioneller Hinsicht sowie im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklungen beobachten? Inwieweit unterscheiden sich Konzepte und Wirkungen des internationalen Bildungsaustausches für unterschiedliche soziale Gruppen und in den beteiligten Nationalstaaten?
  • Mit welchen pädagogischen Konzepten für den internationalen Bildungstausch wird auf aktuelle Herausforderungen und Konflikte im Spannungsfeld zwischen Internationalisierung und Transnationalisierung einerseits und dem Patriotismus und den erstarkten national(istisch)en Tendenzen anderseits reagiert? Inwieweit kann das für die internationale Jugendarbeit in Deutschland entwickelte Konzept der reflexiven Internationalität auch für andere Bereiche des Bildungsaustausches und für andere Länder theoretisch und praktisch relevant sein?
  • Welche Konzepte und Praktiken der Befähigung zur Analyse von internationalen und interkulturellen Konflikten, zur Förderung von Dialog und Konfliktprävention werden in der Ausbildung von angehenden Pädagog*innen an Hochschulen und in der Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft (z.B. im Rahmen der Städtepartnerschaften) implementiert und welche Herausforderungen sind dabei zu beobachten? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich dabei in Deutschland, in Russland und Weißrussland erkennen?

 

 

 

Die Tagung richtete sich an Wissenschaftler*innen, insbesondere in der Qualifizierungsphase, und an Studierende (Lehramt, Masterstudiengänge), die sich mit unterschiedlichen Aspekten des internationalen Bildungsaustauschs und der internationalen Bildungsarbeit befassen und war konzipiert als Zusammengang der drei Bausteine „Fachliche Perspektiven“, „Reflexionen aus der Praxis des internationalen Bildungsaustausches und Anregungen für Forschung und Entwicklung“ und „Emerging Research“.

Auf der Tagung wurden eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Perspektiven auf die Internationale Bildungsarbeit vorgestellt und diskutiert (siehe Tagungsprogramm im PDF-Format).

Im Baustein „Fachliche Perspektiven“ lag der Fokus von sechs Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Russland und Weißrussland auf dem Austausch über aktuelle Konzepte des internationalen Bildungsaustausches aus unterschiedlichen Perspektiven. Prof. Dr. Anatoli Rakhkochkine (FAU Erlangen-Nürnberg, Deutschland) präsentierte in seinem Vortrag vergleichende Perspektiven auf den internationalen Bildungsaustausch zwischen Ost und West. Prof. Dr. Andreas Thimmel (TH Köln, Deutschland) erörterte das Konzept der reflexiven Internationalität aus der Perspektive der (internationalen) Jugendarbeit. Prof. Dr. Sabine Hornberg (TU Dortmund, Deutschland) stellte aus einer schulpädagogischen Perspektive den Beitrag von Bildung zum interkulturellen Dialog in transnationalen und schulischen Kontexten heraus. Prof. Dr. Mikhail Pevzner (Staatliche Universität Nowgorod, Russland) und Dr. Irina Ushanova (Staatliche Universität Nowgorod, Russland) präsentierten gemeinsam die internationalen Dimensionen lebenslangen Lernens und gaben Einblick in die Erfahrungen der Deutsch-Russischen Akademie für lebenslanges Lernen aus Perspektive der Russischen Föderation. Dr. Alena Turkovskaya (Staatliche P.M. Mascherow-Universität Witebsk, Weißrussland) sprach über die Rolle der Partner im Austausch zwischen Ost und West aus weißrussischer Perspektive.

In diesem fachlichen Rahmen erhielten Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten und erfahrenen Wissenschaftler*innen über erste Ergebnisse ihrer Forschungsvorhaben sowie über ihre Forschungsideen auszutauschen, diese kritisch zu diskutieren und so ihre Themengebiete zu schärfen oder ihre Herangehensweise an bestimmte Sachverhalte zu überdenken oder weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wurden durch die Beiträge von Expert*innen aus der Praxis (Thomas Hoffmann (Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch gGmbH, Deutschland), Brunhild Hilf (Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld-Welikij Nowgorod e.V., Deutschland), Dr. Volha Sheviarynava (Staatliche P.M. Mascherow-Universität Witebsk, Weißrussland)) Impulse für die Weiterentwicklung des internationalen Bildungsaustausches zwischen Ost und West identifiziert, die für die teilnehmenden Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen auch als Anknüpfungspunkte für die eigene Forschung genutzt werden können.

Im Baustein „Reflexionen aus der Praxis des internationalen Bildungsaustausches und Anregungen für Forschung und Entwicklung“ erhielten die Teilnehmenden durch drei Vorträge Einblick in die praktische Arbeit des internationalen Bildungsaustausches. Thomas Hoffmann (Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch gGmbH, Deutschland) gab in seinem Beitrag Einblick in die Grundlagen und die Arbeit des beruflichen, schulischen und außerschulischen Bildungsaustausches zwischen Deutschland und Russland und zeigte anhand von Beispielen aktuelle Herausforderungen, Tendenzen sowie Potentiale auf, auf welche in Zukunft auch mit der Unterstützung von Forschung und Entwicklung reagiert werden muss. Brunhild Hilf (Kuratorium Städtepartnerschaft Bielefeld-Welikij Nowgorod e.V., Deutschland) stellte in ihrem Beitrag die Entwicklung der städtepartnerschaftlichen Beziehungen zwischen Bielefeld und Welikij Nowgorod aus historischer Perspektive dar. Sie zeigte auf, welche Formate sich entwickelten, welche interkulturellen Unterschiede die Entwicklung der Städtepartnerschaft prägen und welchen aktuellen Herausforderungen begegnet werden muss. Dr. Volha Scheviarynava (Staatliche P.M. Mascherow-Universität Witebsk, Weißrussland) erörterte die Relevanz internationalen Bildungsaustausches für die Internationalisierung von Hochschulen sowie deren Integration in den internationalen Bildungsraum. Sie zeigte anhand zweier multilateraler Kultur- und Bildungsaustauschprojekte auf, wie diese zudem zur Völkerverständigung zwischen Deutschland und Weißrussland beitragen. In diesem Baustein wurden durch die Vorträge Impulse für die Weiterentwicklung des internationalen Bildungsaustausches zwischen Ost und West identifiziert, die für die teilnehmenden Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen und auch als Anknüpfungspunkt für weitere Forschung nützlich sein können. Untersuchungen über staatliche Förderungen und Wirkungen im internationalen Bildungsaustausch zwischen Ost und West aus vergleichender Perspektive wurden dabei als notwendig angesehen.

Obwohl die Tagung virtuell und in deutscher Sprache durchgeführt wurde, tat dies dem wissenschaftlichen Austausch zwischen deutschen, russischen und weißrussischen Teilnehmer*innen keinen Abbruch. Für viele Teilnehmende war dies zudem die erste Erfahrung mit einer virtuellen internationalen Tagung. Wie die nachstehenden Statements von Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen verdeutlichen, kann internationaler Bildungsaustausch interessante Erkenntnisse liefern und zur eigenen akademischen und persönlichen Weiterentwicklung beitragen, auch wenn dieser von zu Hause aus und in einer Fremdsprache stattfindet.

Ich bin für diese Möglichkeit sehr dankbar und habe mich über die Teilnahme an der Konferenz sehr gefreut. Das Thema der Konferenz ist faszinierend. Dadurch wird deutlich, dass nicht nur wir, sondern auch die andere (deutsche) Seite an guten freundschaftlichen Beziehungen interessiert sind. Das stimmt hoffnungsvoll und optimistisch in Bezug auf die weitere Entwicklung der Kontakte“ (Übersetzung AR).

Es war sehr interessant und auch nützlich, an der Konferenz teilzunehmen und eine Möglichkeit, die Fremdsprache nicht nur als Lernzweck zu benutzen, sondern auch Anregung und Motivation für die eigene Weiterentwicklung zu bekommen“ (Übersetzung SM).

Es war interessant, die Kolleg*innen aus Weißrussland zu hören, die Studierende sind, wie ich. […] Ich [bin] sehr froh, dass die Konferenz den Kontaktaustausch ermöglichte und dass einige Vortragende sogar bereit sind, ihre Arbeiten und Recherchen zur Verfügung zu stellen“ (Übersetzung SM).

In der aktuellen Situation ist es sehr wichtig, alternative Wege für Lernen und Selbstentwicklung zu finden. Dank des Online-Dienstes Zoom konnte die Konferenz zum Thema Internationalisierung stattfinden […]. Ich hoffe, dass nach dieser erfolgreichen Konferenz unsere internationale Zusammenarbeit noch produktiver, interessanter und reicher wird“ (Übersetzung SM).

Einige wichtige Teile der geplanten Präsenzveranstaltung (z.B. Besuche bei den Partnern im Netzwerk „Internationalisierung von Bildung in der Metropolregion Nürnberg“ und der Austausch über die Praxis des internationalen Bildungsaustausches „im Feld“) konnten virtuell nicht umgesetzt werden. Persönliche Interaktionen in entsprechend physischen kulturell geprägten Settings sind aber durchaus bedeutsam. Deshalb soll in der zweiten Jahreshälfte eine Begegnung mit einigen Teilnehmer*innen der virtuellen Tagung in Nürnberg durchgeführt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Tagung werden dabei die besonders innovativen Ideen der Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen in Workshops und im Feld des internationalen Bildungsaustauschs vertieft ausgearbeitet.

 

Ansprechpartner:

Projektleitung: Prof. Dr. Anatoli Rakhkochkine 

Projektassistent: Maximilian Höldl